Ein Nachtrag zur ISSV-Mundartreihe
Von Dominik Brun
Unsere Mundart korrekt zu schreiben, wäre nur mit der phonetischen Schrift möglich. Aber das würde viel zu kompliziert und zu aufwändig.
Deshalb bleiben die meisten Dichterinnen und Dichter der Innerschweizer Kantone in Zweifelsfällen in der Nähe der deutschen Schreibweise: Meinrad Lienert, Julian Dillier, Zyböri, Max Huwyler …
Bei den offenen U und I verwenden alle diese Vokale und wechseln nicht zum O oder E, nur weil eine gewisse Ähnlichkeit im Klang besteht. Sie schreiben nicht Schloss, wenn sie Schluss meinen, nicht Senn statt Sinn, nicht stemme statt stimme – und nicht wösche, wenn sie wüsche meinen. Und der absurde Höhepunkt dieser Verwechslungsorthografie tönt so: Nid jede Schöpfer isch ä Schöpfer. (Gemeint: Nicht jeder Einwohner von Schüpfheim heisse Schöpfer oder nicht jeder schöpferisch tätige Mensch wäre dann ein Schöpfer.)
Für mich und die die meisten Schreibenden in der Innerschweiz gibt es deshalb eine ganz klare Faustregel: Einige Begriffe – wie die oben erwähnten – verlieren durch das Auswechseln (z. B. von U und O oder I und E) ihren eindeutigen Sinn, folglich beginnt man gar nie mit diesem Unsinn, sondern bliibt bi iich und miich, bi Nuss und Schluss – und äbe bim SINN und nid bim SENN.
Schon bei Meinrad Lienert wurde ä Dichter nicht zu einem sinnlosen Dechter. Und är het no öppis verlitte und nid verlette. Und bim Lienert isch ä Gugger sicher nid ä Gogger. Auch Josef von Matt wusste: Me cha nid säge weli Stund (nid Stond!). Und är het Underschlupf gfunde und nid ä Schlopf. Sini Stubeuir hanget nid absurderwiis in ere Stobe. Ebenfalls bei J. K. Scheuber lache im maiwarme Wind all dini Chind (Wend und Chend hätte er nicht verstanden). Julian Dillier dichtete vom Winter und nid Wenter. Und är laat s la risle und nid la resle. Für Zyböri und für Hedwig Egger-von Moos war es klar, dass ä Nuss nid ä Noss cha sii und d Chuchi nid ä Chochi. Der Entlebucher Siegfried Emmenegger het eim uf d Finger gluegt und sicher nid uf d Fenger. Ebenfalls für Lydia Helfenstein wäre ein Spinner mit einem «e» undenkbar gewesen. So vermied es auch Fritz Ineichen, aus einem Bittgang einen undiskutablen Bettgang zu machen. Und Walter Käslin würde sich im Grab umdrehen, wenn man seine Chindli mit Windili am Füdli mit «e» oder «ö» verunstaltete. Zum Schluss noch Otto Hellmut Lienert und Max Huwyler: Die hei tuusig Schritt gmacht und öppis iigrichtet und nid Schrett gmacht und grechtet und zwiifulos nid zum Blitz Bletz gseit. Max käme sich wie ein Wendehals vor, würde man seinen Wind, wo keert het, Wend nennen.
Noch ein paar Absurditäten, die durch das unüberlegte Austauschen von Ü zu Ö oder U zu O entstehen können:
Strecke? Tuet d Muetter öppis strecke oder stricke? – D Luzärner chöi vilicht Chatze strecke – oder tüi se se stricke?
Ä Buck im Outo isch ke Bock (dä hocket höchstens am Stüürrad!).
Ä Tubu isch sicher kes Tobu.
De Söppli cha kes Söppli ässe, är hätt gärn äs Süppli.
Wenn ä Bärner Mutz tuet motze: isch r de ä Bärner Motz?
Eine, wo grüblet, isch ä Grübli. – Und wenn r gröber grüblet, isch r vilicht än Ohregrübu, aber todsicher ke Gröbu.
Oder ä Gutterebutzer!
Potz Tüüfu, wenn mini Gotte ne Gottere potzt hätt – statt äs Gütterli putzt!
Wer jetzt noch nicht überzeugt ist von diesem fragwürdigen I-E- und U-O-Vertauschen, der soll mir erklären, mit wem unsere Tochter nach Hause kommt, wenn si mit eme Ross heichunnt. (Wirklich mit einem Russen oder hoch zu Ross?) – Üsi Mundart cha doch bim beschte Wüue nid ä Mondart si!
Nur ein paar wenige LuzernerINNEN von Kuno Raeber bis Pablo Haller lassen (liessen) sich vom Klang verführen, schreiben drauflos, ohne sich bewusst zu werden, dass einige Begriffe mit falschen Vokalen nicht mehr eindeutig sind.
Natürlich darf man Mundartliches auch eigenwillig schreiben, aber dann sollen die Schreibenden zur Kenntnis nehmen, dass viele andere wegen dieser unsinnigen Schreibweise den Kopf schütteln, nicht schötteln!
Es esch eifach ä Wetz und sennlos, wenn än Ennerschwyzer Schreftstöueri i dr gröschte Hetz umehetzt und velecht no metts im Ghetz es fausches Getzi metzget!No einisch: Üsi Mundart isch ke Mondart! Das weiss jeder Senn: Die vertuuschete E und I und U und O machen eifach ke Senn!